Menschliche Entwicklung von 14 bis 21 Jahren: Wer bin ich? Was will ich?
Erinnern Sie sich? Um das 14. Lebensjahr verabschiedet sich die Kindheit immer schneller – und eine aufregende Zeit beginnt: körperliche Veränderungen, neue Freiheiten und Schmetterlinge im Bauch.
In dieser Lebensphase geht es um wichtige Veränderungen – die jungen Menschen unternehmen wesentliche Schritte Richtung Selbstständigkeit. Und sie setzen sich mit ihrer Identität auseinander. Damit das gelingt, müssen sie sich von den Erwartungen und Werten des Elternhauses lösen. Da kann durchaus eine explosive Mischung entstehen. Die Konflikte mit den Eltern kosten Zeit und Nerven, sind jedoch notwendig, damit der Sprung ins eigene Leben gelingt. Die Erwachsenen müssen in dieser Zeit einiges aushalten. Einerseits braucht der Nachwuchs eine verlässliche Basis. Andererseits rebelliert er genau gegen diese Basis und geht teilweise erhebliche Risiken ein. Gerade weil diese Phase so komplex und für alle Beteiligten emotional aufwühlend daherkommt, ist es spannend, sie genauer zu betrachten.
Das erwachsenwerden verbindet - intensive Lebenseindrücke und wechselnden Emotionen | Quelle: © pathdoc - Adobe Stock
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Wir wünschen eine inspirierende Lektüre!
Identität und Orientierung: ein Abenteuer mit Grenzerfahrung
Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich? Wie weit kann ich gehen?
Nicht nur der Körper verändert sich und zeigt dem Heranwachsenden, dass eine neue Zeit anbricht. Auch das Denken strukturiert sich neu. Wie im letzten Artikel schon in Ansätzen beschrieben, ähnelt das Gehirn während der Pubertät einer Großbaustelle. Unter anderem gilt es, alte (kindliche) Denk- und Verhaltensmuster zu überwinden und die eigene Persönlichkeit weiter zu entwickeln. Dieser Prozess wird auf verschiedenen Ebenen sichtbar.
Ich – wer soll das sein?
Bis zur Pubertät leben Kinder überwiegend in der „elterlichen Blase“. Dann überfluten Hormone den Körper und stürzen die jungen Menschen in ein inneres Chaos. Die Heranwachsenden müssen sich und die Welt neu entdecken. Das ist für sie selbst und für ihr Umfeld ein anstrengender Prozess.
Eltern haben nun eine Gratwanderung vor sich: Sie müssen ihre „Kleinen“ loslassen und ihnen gleichzeitig Halt geben. Damit dies möglichst gut gelingt, gehen wir auf die wichtigsten Aspekte ein, die diesen Prozess fördern oder hemmen.
So hemmen Eltern die Entwicklung ihrer Kinder – und das hilft dagegen
Die elterliche Angst das Kind zu verlieren, wenn sie es loslassen oder dass es sich auf falsche Freunde einlässt, kennen wohl alle Mütter und Väter mit pubertierendem Nachwuchs.
Die Lösung dieses Problems liegt jedoch nicht darin, das Kind zu sehr zu behüten. Zu wenig Freiraum hindert den jungen Menschen daran, sich zu einer eigenständigen Persönlichkeit zu entwickeln. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass der Jugendliche umso stärker gegen die vorhandenen Grenzen rebelliert und das Verhältnis zu den Eltern nachhaltig leidet. Die andere Möglichkeit ist, dass das Kind Ängste entwickelt, die seine Entwicklung auf lange Sicht beeinträchtigen.
Die vielen Herausforderungen während der Pubertät reichen bereits, um sich haltlos zu fühlen und nach Orientierung zu suchen. Diese innere Haltlosigkeit macht junge Menschen beeinflussbarer. Deshalb brauchen sie Vorbilder im realen Leben, wie ältere Geschwister, Verwandte oder Trainer im Sportverein.
Werden Profisportler oder Influencer verehrt, ist das natürlich kein Problem. Sportliche Betätigung baut Stress ab und stärkt das Selbstbewusstsein. Social Media Stars können ebenfalls motivieren, den eigenen Weg zu finden.
Es ist jedoch wichtig, dass Heranwachsende nicht nur aalglatten Vorbildern folgen, die ihre Außenwirkung von Marketingexperten aufpolieren lassen. Sie müssen erkennen, dass jeder Mensch Stärken und Schwächen hat und lernen, sich als Gesamtpersönlichkeit anzunehmen und ihren Alltag mit den ihnen zur Verfügung stehenden Fähigkeiten und Talenten zu meistern. Dass diese Entwicklung auch mit Misserfolgen einhergeht, muss ebenfalls klar sein.
Fehler nicht als Scheitern zu betrachten, sondern aus ihnen zu lernen, ist eine gesunde Haltung, die eine positive Entwicklung fördert – ein Leben lang.
An dieser Stelle kommt der Erziehung bis zur Pubertät eine wichtige Rolle zu. Denn gerade weil es dazugehört, dass Teenies Grenzen austesten, brauchen sie Sicherheit und Stabilität. Das bedeutet: Es gibt Grenzen und innerhalb dieser Grenzen kann sich der Pubertierende frei bewegen. Mit Jugendlichen über Regeln und Gesetze, sowie deren Sinnhaftigkeit und Wirkung zu sprechen ist besonders wichtig. Dabei kommt es nicht drauf an, dass die Erwachsenen auf jede Frage oder jeden Widerspruch eine Antwort parat haben. Unser Leben und auch unsere Regeln sind weder perfekt noch zu hundert Prozent gerecht. Manchmal sogar widersprüchlich. Kinder müssen lernen, mit dieser Widersprüchlichkeit umzugehen.
Übrigens: Eltern bleiben als Vorbilder und Stütze trotz der zunehmenden Ablösung wichtig. Außerdem prägen sie die Erfahrungen des Heranwachsenden bis zur Pubertät und diese Erfahrung sind sehr nachhaltig.
Zur Widersprüchlichkeit gehört eine weitere Tatsache: Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen. Kinder brauchen ein möglichst realistisches Selbstbild, was ihre positiven Eigenschaften und genauso ihre Macken und Schwächen anbelangt. Das Leben fasst die jungen Menschen nicht mit Samthandschuhen an. Wer mit der Vorstellung, der Nabel der Welt zu sein, ins eigene Leben startet, ist bei einer Begegnung mit der Realität besonders schnell frustriert und gestresst. Eltern können hier viel richtig, und genauso viel falsch machen. Keine leichte Aufgabe!
Hier ist wichtig, dass die Erwachsenen ihre Erwartungen an den Nachwuchs mit dessen wirklich vorhandenen Eigenschaften und Fähigkeiten abgleichen. Die Vorstellung, ohne Studium oder gar Doktorgrad wäre eine erfolgreiche berufliche Laufbahn nicht möglich ist derzeit weit verbreitet. Doch nur weil viele Eltern das glauben, ist es noch lange nicht richtig oder sinnvoll. Sie setzen damit ihre Kinder unter hohen Erfolgsdruck und nehmen ihnen die Chance einen Beruf und eine Position zu finden, die ihnen Freude bereiten und zu ihnen passen.
Idealerweise lernen die jungen Menschen, sich umfassend über wichtige Themen zu informieren, sich daraus eine Meinung zu bilden und Entscheidungen zu treffen. Perfektionismus erweist sich dabei als besonders heftige Blockade. In einer sich rasend schnell verändernden Welt mit beinahe unüberschaubaren Möglichkeiten, kennt niemand die eine richtige Entscheidung. Es gilt, eine gute Wahl zu treffen und die anderen Möglichkeiten dann auch loszulassen. Wer sich immer alle Türen offen hält, kommt nicht vorwärts.
Freundschaften zu Gleichaltrigen: gemeinsam durch das Chaos
Gute Feiern knüpfen Bande | Quelle: © Prostock-studio - Adobe Stock
Heranwachsende verbringen einen großen Teil ihrer freien Zeit mit Gleichaltrigen, sie machen gemeinsame Erfahrungen und teilen ihre Geheimnisse. Es kann passieren, dass diese Tendenz bei den Eltern Gefühle von Entfremdung und Verlustängste erzeugt.
Tatsächlich schätzen die Jugendlichen beides – das familiäre Umfeld und den Freundeskreis. Beide Bereiche sind für ihre Entwicklung wichtig. Die Familie bietet idealerweise Sicherheit und Rückhalt. In den Beziehungen mit Gleichaltrigen finden die Jungen und Mädchen neue Impulse für die Entwicklung einer reifen Persönlichkeit. Sie erleben sich gleichberechtigt und auf Augenhöhe, während sie in der Eltern-Kind-Beziehung immer ein Stück weit „Kind“ bleiben.
Lange Zeit wurde hier vor allem das Konfliktpotenzial gesehen. Dies ist jedoch sehr kurz gedacht: Die Heranwachsenden machen ihre Erfahrungen und ziehen daraus ihre eigenen Schlüsse. Dass dieses Fazit nicht unbedingt der elterlichen Perspektive entspricht ist wichtig, damit Jugendliche zu eigenständigen Personen heranwachsen können. Gleichzeitig erhalten Erwachsene die Chance, mit ihrem Nachwuchs zu diskutieren und Meinungen auszutauschen, um damit ihren eigenen Horizont zu erweitern. Schließlich ist Erwachsenwerden immer auch ein einzigartiger Prozess und jede Generation steht vor eigenen Herausforderungen.
Gerade weil die Gleichaltrigen einen so hohen Stellenwert einnehmen, können Probleme wie Mobbing und Ausgrenzung langfristigen Schaden anrichten.
Was genau ist Mobbing?
In einer Veröffentlichung im Journal of Health Monitoring (Ausgabe 3/2020) des Robert-Koch-Instituts beschreiben die Autoren Mobbing sinngemäß so: Mobbing bedeutet eine besondere Form wiederholter Gewalt, die das Opfer schädigen soll. Zwischen Täter und Opfer besteht ein Machtungleichgewicht. Das bedeutet: die betroffene Person kann sich nur schwer gegen das Mobbing wehren. Mobbingerfahrungen verletzen das grundlegende Recht von Kindern und Jugendlichen auf Respekt, Sicherheit und körperliche Unversehrtheit.
Warum kommt es zu Mobbing?
Wie wählen die Täter ihre Opfer aus?
Laut der Pisa Studie 2015 berichten durchschnittlich 16 Prozent der deutschen Schüler bereits von Mobbing betroffen gewesen zu sein.
Das Bewusstsein bei Eltern und Schulen für Mobbingvorfälle und deren Folgen ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Schulpsychologen und -sozialarbeiter stehen als Ansprechpartner und Vertrauenspersonen den Betroffenen zur Seite.
Sexuelle Entwicklung und romantische Beziehungen – alles easy?
Sie kennen das vielleicht aus noch: Am Anfang der Pubertät sind Mädchen und Jungen in getrennten Gruppen unterwegs. Sie suchen Abenteuer, Gemeinschaft und tauschen sich über das andere Geschlecht aus. Im Laufe der Jahre entstehen zunehmend gemischtgeschlechtliche Cliquen. Innerhalb dieser Cliquen finden sich Pärchen, die dann mit anderen Paaren gemeinsame Aktivitäten planen. Die Dynamik innerhalb der Gruppen ist enorm. Da verwundert es nicht, wenn die Jugendlichen viel Zeit am Smartphone verbringen – sie müssen schließlich auf dem Laufenden bleiben und wissen wer gerade mit wem zusammen ist, sich trennen möchte oder einen neuen Schwarm gefunden hat. Für Teenies ist es selbstverständlich, dass diese Themen oberste Priorität genießen. Für Eltern und Lehrer bedeutet das Verhalten oft einen Grund, um verständnislos den Kopf zu schütteln.
Die Jugendlichen haben gute Gründe für ihre Sichtweise. Denn erste romantische Beziehungen zu knüpfen ist eine der wichtigsten Lernaufgaben in dieser Zeit. Jungen und Mädchen investieren entsprechend viel Zeit und Aufmerksamkeit in dieses Thema. Dazu gehört nicht nur der ständige Austausch über Liebes-News innerhalb der Clique, sondern auch die Beschäftigung mit dem eigenen Look. Dabei die Schule nicht zu vernachlässigen ist wirklich nicht leicht.
Die ersten Beziehungen dauern meist einige Monate, je älter die Jugendlichen sind, umso länger und stabiler werden ihre Partnerschaften. In einer Studie aus dem Jahr 2016 beschreibt Eva-Verena Wendt, dass Heranwachsende in ihren romantischen Beziehungen mit vielen negativen Gefühlen konfrontiert werden. Sie müssen lernen, mit Unsicherheit, Eifersucht, Kränkungen und Unzufriedenheit umzugehen und Konflikte mit dem Partner gemeinsam zu lösen.
Schon beim Lesen dieser Abschnitte wird deutlich, wie intensiv, herausfordernd und anstrengend das Erwachsenwerden für die Jugendlichen ist. Erwachsene können dieses Wissen nutzen, um den „schwierigen Nachwuchs“ besser zu verstehen und sich vielleicht an die eigene Jugend und ihre „schwierigen Eltern“ zu erinnern.
Social Media – ich like, also bin ich
Um miteinander in Kontakt zu bleiben, nutzen Jugendliche seit Jahren überwiegend Whatsapp – auch wenn andere Messenger-Dienste wie Slack oder Threema durch Änderungen der AGB von Whatsapp immer mehr Zulauf erfahren.
Um den Wert von Facebook und Co. für Jugendliche nachzuvollziehen, hilft die Darstellung des Wirtschaftswissenschaftlers Jan Kietzmann und seiner Kollegen aus dem Jahr 2011: In den Sozialen Netzwerken halten Teenies Kontakt mit ihren Freunden, teilen interessante Informationen und nutzen Social Media als Werkzeug zur Selbstdarstellung. Mit wem bin ich befreundet, in welchen Gruppen bin ich Mitglied? Wer kein spannendes Social-Media Profil pflegt, erhält entsprechend weniger Aufmerksamkeit.
Eltern haben vor allem die negativen Auswirkungen der Mediennutzung ihrer Kinder im Blick. Trotzdem darf nicht vergessen werden, dass Jugendliche in Foren und Gruppen eigenständig nach Antworten auf ihre Fragen und Probleme suchen und dort viel Verständnis und Unterstützung finden. Manchmal ist es einfacher, unter einem erfundenen Namen eine heikle Frage loszuwerden, als sie unter vier Augen mit Freunden oder Erwachsenen zu besprechen. Außerdem können Nachrichten – im Gegensatz zu gesprochenen Sätzen – vor dem Abschicken noch einmal durchgelesen werden. Dadurch reduzieren sich Missverständnisse und unklare Ausdrucksweisen.
Sich selbst auf die Suche nach Antworten zu begeben ist eine wichtige Fähigkeit in der modernen Welt. Eltern können sich über ihre selbstständigen Kinder freuen, auch wenn dieser Stolz mit einer Portion Wehmut einhergeht.
Natürlich bringt die Nutzung auch Risiken mit sich – wie alles im Leben. Mobbing im Internet, das sogenannte Cyber-Bullying, zählt wohl zu den am meisten beachteten Phänomenen. Die EU-Kids Online-Studie legt die Vermutung nahe, dass Cyber Mobbing offline stattfindendes Mobbing ergänzt. Im Gegensatz zum Offline-Mobbing verbreiten sich online geteilte Inhalte, wie Videos oder Bilder rasend schnell und können nicht mehr gelöscht werden. Eine weitere Mobbing-Welle nach einiger Zeit der Ruhe ist möglich. Hierin liegt auch die besondere Härte solcher Online-Attacken. Erfreulicherweise zeigen Präventionsprogramme an Schulen und aufmerksame Eltern eine gute Schutzwirkung.
Beim Thema digitale Tools dürfen auch die verschiedensten Apps und Smartphone-Funktionen nicht fehlen. Bei aller Faszination und Hilfe, die sie bietet, kann sie Jugendliche auch versklaven: Habe ich die 10.000 Schritte heute schon geschafft? Außerdem muss ich das nächste Level von Mine Craft erreichen und die beste Freundin ist gekränkt, weil sie nicht sofort eine Antwort auf ihre Whatsapp-Nachricht erhalten hat.
Digitale Technik kann zu viel Aufmerksamkeit verbrauchen. Eine gesunde Balance zu finden ist eine weitere wichtige Aufgabe in dieser so turbulenten Lebensphase. Denn das Leben als digitaler Sklave ist das Gegenteil von der Freiheit, die wir uns durch die Nutzung der Tools versprechen. Der Stresspegel steigt und die Angst, etwas zu verpassen kann größer werden als der Spaß beim Chatten oder die Freude über einen neuen Eintrag im Reiseblog der Freundin.
Es macht Sinn, ab einem gewissen Alter den Blutdruck regelmäßig zu kontrollieren oder bei einer bestimmten Krankheit bestimmte Körpersignale zu messen. Ob allerdings eine App den Menschen auf Schritt und Tritt überwachen muss, damit er „alles richtig“ macht, ist eine andere Sache.
Ein gutes Gespür für die eigenen Bedürfnisse zu entwickeln und gut auf sich zu achten ist wichtiger, als eine App zufriedenzustellen. Denn wie der nächste Abschnitt zeigt: Das Gehirn ist wie ein Muskel. Fähigkeiten, die trainiert werden, verbessern sich. Wer das eigene Körperbewusstsein an eine App auslagert, verliert das Gespür für sich und wird damit ein Stück weit abhängig von einer Maschine. Welche Technik genutzt wird, muss selbstverständlich individuell abgewogen und entschieden werden.
Großbaustelle im Kopf: Die Pubertät aus Sicht der Hirnforschung
Ausbau des Gehirns während der Pubertät | Quelle: © Orlando Antonio Gravante - Adobe Stock
Der technische Fortschritt erlaubt es den Neurowissenschaftlern, das menschliche Gehirn, seine Entwicklung und Funktionsweise immer besser zu verstehen. (vgl. www.dasgehirn.info) So können die Forscher zum Beispiel mit der Magnetresonanztomografie (MRT) die Struktur des Gehirns genau abbilden. Durch wiederholte Messungen bei einer Person erkennen sie Veränderungen und leiten daraus den Entwicklungsverlauf ab.
Zusätzlich steht den Forschern eine weitere Möglichkeit zur Verfügung: die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT). Die Abbildung zeigt ein solches Bild. Der rote Bereich ist besonders aktiv und gibt Hinweise, wo und wie intensiv das Gehirn auf verschiedene Reize reagiert. Das Prinzip dieser Untersuchung ist einfach. Mit der Aktivität eines Gehirnareals steigt auch der Sauerstoffverbrauch. Da sauerstoffreiches Blut anders auf die Magnetfelder des Tomographen reagiert als sauerstoffarmes, heben sich Bereiche, denen vermehrt Sauerstoff zugeführt wird, von ihrer Umgebung ab.
Die Entwicklung im Gehirn verläuft nicht in allen Zentren gleichzeitig, sondern von hinten-unten (Hinterkopf) nach vorne-oben (Stirnhirn). Daraus lässt sich ableiten, dass Bereiche der Gefühlsverarbeitung und das Belohnungssystem ausreifen, bevor die Fähigkeit zur Impulskontrolle im Vorderhirn verstärkt wird. Jugendliche sind also nicht grundlos impulsiv und unterliegen Gefühlsschwankungen. Dieses Wissen kann helfen, die Stürme der Pubertät etwas leichter zu ertragen.
Die Wissenschaftler vermuten, dass diese zeitversetzte Reifung den jungen Menschen ermöglicht, besonders flexibel und sensibel auf Reize zu reagieren und damit eine gute Basis für Lernprozesse schafft.
Der jugendliche Langschläfer
Eine weitere Besonderheit während der Pubertät: der Tag-Nacht-Rhythmus verschiebt sich. Das bedeutet, die Jugendlichen werden später müde, die täglichen Routinen wie der Schulbeginn um acht Uhr verändern sich dagegen nicht. Viele Jugendliche schlafen deshalb tagsüber. Können sie das Schlafdefizit nicht ausgleichen, stellt sich chronischer Schlafmangel ein. Aufmerksamkeit und Lernleistungen nehmen in der Folge ab, Gefühle können schlechter kontrolliert werden und das Risiko, eine Sucht zu entwickeln, steigt. Wissenschaftler wie Till Roenneberg von der Münchner Ludwing-Maximilians-Universität fordern seit Längerem einen späteren Schulbeginn. Auch einen späteren Arbeitsbeginn hält der Psychologie für sinnvoll, da 80 Prozent der Erwachsenen nur mit Wecker morgens aus dem Bett kämen und damit die innere Uhr ihren Takt verliere. Diese Erkenntnisse passen zu aktuellen Studien, in denen rund ein Drittel der Befragten angibt, mit der Schlafqualität nicht zufrieden zu sein.
Es wäre also durchaus angebracht, diesem Thema eine größere Bedeutung zu geben, da negative Effekte für Menschen größer sind als bisher angenommen.
In westlichen Kulturen konnten Forscher zeigen, dass trotz zum Teil grober Entgleisungen die Jugendlichen gute rationale Entscheidungen treffen können. Das müssen sie auch, schließlich stellen sie in diesem Zeitfenster auch wichtige berufliche Weichen. Diesen Themenbereich besprechen wir im nächsten Beitrag.
Weitere Informationen gibt‘s hier:
- Youtube-Kanal maiLab: Warum wir zur falschen Zeit aufstehen. Veröffentlicht am 10.12.2018.
- Schlafstörungen werden deutlich unterschätzt aus dem Deutschen Ärzteblatt 2016; 113(6)
- Das menschliche Gehirn anschaulich dargestellt und erklärt: dasgehirn.info
- Lohaus, Arnold (Hrsg.) (2018): Entwicklungspsychologie des Jugendalters. Springer-Verlag.
- Jilek, Claudia (2019): Langzeitfolgen von Mobbing im Kindes-und Jugendalter: Eine qualitative Studie im Zeichen der Integrativen Gestalttherapie. Masterarbeit an der Universität Krems, abgerufen am 2. Juni 2021 unter http://www.gestalttherapie.at/
graduierungsarbeiten_oeffentlich/mth
_claudia_jilek.pdf
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Autorin: Susanne Schmieder
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