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Gruppenpsychologie – Zusammenleben ist nicht einfach, oder doch?

Für Fragen rund um das Thema „Gruppe“ ist in der Psychologie der Fachbereich Sozialpsychologie zuständig. Von einer Gruppe ist die Rede, wenn mehr als zwei Personen über längere Zeit miteinander in Kontakt stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Das Thema betrifft uns alle gleichermaßen – vom Single bis zum Elternteil –  denn jeder Mensch ist Teil mehrerer Gemeinschaften und wird durch die Gruppenpsychologie beeinflusst.

 

Dieser Beitrag beschreibt die unterschiedlichen Arten von Gruppen, wie sie entstehen und sich weiterentwickeln. Außerdem geht es darum zu verstehen, warum Menschen in Gruppen organisiert sind und welche Vorteile damit einhergehen. Ein weiterer spannender Aspekt ist die Macht in Gruppen. Wir wollen uns anschauen, wie Machtverhältnisse entstehen und wie sich diese auswirken.

Gruppenpsychologie – Mehrere abgebildete Köpfe in schwarz
Gruppenpsychologie – Mehrere abgebildete Köpfe in schwarz

Gruppenpsychologie - Arten, Einfluss | Quelle: © JBR - Adobe Stock

Unsere Beiträge sind sehr ausführlich. Bitte nutzen Sie daher zur besseren Navigation das Inhaltsverzeichnis. Sollten Sie ergänzende Anregungen oder eigene Erfahrungen zum Thema besitzen? Freuen wir uns natürlich sehr über ein entsprechendes Kommentar am Ende des Beitrages.  

Wir wünschen eine inspirierende Lektüre!

Inhaltsverzeichnis
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    Gruppen – individuell, einzigartig und nützlich

    Der Mensch zählt eindeutig zu den sozialen Vertretern der Säugetiere. Während sich Bären, Jaguare und Eichhörnchen als Einzelgänger durchs Leben schlagen und nur zur Paarungszeit die Gesellschaft von Artgenossen suchen, lebt der Mensch in sozialen Gruppen unterschiedlicher Größe und Strukturen.

     

    Erik Trinkaus ist Anthropologe und forscht an der US-Amerikanischen Washington University zur menschlichen Entwicklung. Er geht davon aus, dass schon die Neandertaler in Sippen lebten und sich umeinander kümmerten. Kranke oder verletzte Mitglieder der Gemeinschaft wurden beispielsweise mit leicht verdaulicher Nahrung versorgt. Das zeigen Analysen des Mageninhalts von mumifizierten Neandertalern, die aller Wahrscheinlichkeit einer Verletzung erlegen sind.

     

    Zusammenhalt ist nützlich – für den Einzelnen und für das Fortbestehen der Gruppe. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

    Große und kleine Gruppen – Orientierung und Zugehörigkeit

    Im Alltag bewegen wir uns überwiegend in Kleingruppen (3 – 25 Personen): das Team am Arbeitsplatz, die Schulklasse, der Sportverein, der Freundeskreis und die Familie. Die überschaubare Mitgliederzahl führt zu intensiveren Beziehungen, einer stabilen Vertrauensbasis und größerer gegenseitiger Einflussnahme zwischen den Gruppenmitgliedern. Es besteht ein starkes Gefühl der Verbundenheit.

     

    Mit Großgruppen verbinden die Mitglieder eine geringere Nähe und sie stehen meist formal in Kontakt. Zu den klassischen Großgruppen zählen Berufsverbände, Parteien, Gewerkschaften, Interessengruppen und Nationen. Großgruppen sind oft zweckgebunden, die Mitglieder wollen gemeinsam bestimmte Ziele erreichen.

     

    Zu welchen Groß- und Kleingruppen gehören Sie?

    Formelle und informelle Gruppen

    Egal ob Fußballverein oder Großkonzern – alle Gruppen verfügen über formelle und meist auch informelle Strukturen. Was bedeutet das?

     

    Ein Beispiel: Ein Unternehmen gliedert sich in Standorte, Geschäftsbereiche und Abteilungen. Die Belegschaft als Ganzes fällt in die Kategorie Großgruppe, die Personalabteilung ist eine Kleingruppe. Jeder Mitarbeiter der Firma ist formal per Vertrag mit dem Unternehmen verbunden und kann einer Abteilung zugeordnet werden. Sein Jobprofil und seine Position verleihen ihm einen offiziellen Status und statten ihn mit mehr oder weniger Macht aus. Der Zweck der formellen Gruppen besteht darin, die Organisationsziele zu erreichen und die Bedürfnisse der Mitglieder bestmöglich zu erfüllen.

     

    Neben der formalen Organisation ergeben sich auch informelle Strukturen. In der Kaffeepause treffen sich Kollegen unterschiedlicher Abteilungen und tauschen sich regelmäßig aus – eine informelle Gruppe ist entstanden. Genauso bilden sich informelle Strukturen innerhalb von Abteilungen, in der Familie oder im Freundeskreis.

    Sie alle kennzeichnet:

    • spontane Entstehung
    • Sympathie ist wichtig
    • hoher Grad an Unverbindlichkeit
    • praktische Gründe als Anlass für den Zusammenschluss, z. B. Fahrgemeinschaft

    Informelle Gruppen bilden sich oft innerhalb formaler Organisationen, um Wünsche und Bedürfnisse von Mitgliedern zu erfüllen, die auf formaler Ebene nicht umgesetzt werden (können).

     

    Hier ein Beispiel: In der Unternehmenskantine stehen kaum vegane Gerichte auf dem Speiseplan. Veganerinnen einer Abteilung beschließen auf eigene Verantwortung, für den Standort einen Lieferdienst mit veganem Mittagsmenü zu organisieren. Dafür starten sie eine Umfrage und gründen eine Veggi-Gruppe über einen Messengerdienst. Nach einem Jahr ist das Interesse an veganen Speisen derart gestiegen, dass der Kantinenbetreiber sein Angebot anpasst.

     

    Das Unternehmensbeispiel zeigt, wie formelle Gruppen von den Impulsen und Initiativen informeller Gruppen profitieren.

    Offene und geschlossene Gruppen

    Ein weitere Eigenschaft von Gruppen betrifft die Offenheit oder Geschlossenheit.

    Eine geschlossene Gruppe erkennen Sie an diesen Merkmalen:

    • Gruppe verfolgt ein Ziel
    • feste Termine für die Treffen
    • regelmäßige Treffen
    • klare Regeln
    • vorgegebene Struktur
    • fester Mitgliederstamm
    • neue Mitglieder werden nach bestimmten Regeln aufgenommen
    • Gäste müssen angemeldet und offiziell gestattet sein
    • Die Gruppentreffen folgen einem Zeitplan und Regeln.

    Beispiele für geschlossene Gruppen sind Schulklassen, Sportgruppen in Vereinen, Meetings am Arbeitsplatz oder therapeutische Gruppen.

    Offene Gruppen hingegen zeichnen sich durch diese Merkmale aus:

    • variable Teilnehmerzahl
    • Teilnehmer kommen und gehen wie sie möchten
    • breiter gefasstes Ziel
    • Termine werden im Vorfeld vereinbart – spontane Treffen möglich
    • Anmeldung ist nicht notwendig

    Zu dieser Kategorie zählen Vorlesungen an der Universität, Straßenfeste oder der private Freundeskreis, der einem gemeinsamen Hobby nachgeht.

    Eine Gruppe entsteht – die fünf Stufen

    Die 5 Phasen Modell der Gruppenentwicklung
    Die 5 Phasen Modell der Gruppenentwicklung

    Die 5 Phasen Modell der Gruppenentwicklung | Grafik: All4Singles

    Der amerikanische Psychologe Bruce Tuckman entwickelte 1965 ein 5-Phasen-Modell der Gruppenentwicklung, das sich bis heute bewährt.

     

    Am Anfang steht die Formierungsphase (Forming). Die Gruppenmitglieder lernen sich kennen, tasten sich langsam aneinander heran. Die Gruppenleitung spielt jetzt eine wichtige Rolle, sie moderiert den Orientierungsprozess. In dieser Phase versuchen die Beteiligten, höflich und freundlich zu sein. Sie möchten einen guten ersten Eindruck erwecken. Gleichzeitig werden die übrigen Teilnehmer genau beobachtet. Jeder versucht die Anderen einzuschätzen.

     

    Im Idealfall ist diese Phase schnell erledigt. Eine Seminargruppe an der Hochschule, deren Teilnehmer sich bereits aus anderen Kursen kennen, braucht womöglich nur wenige Minuten, um anzukommen. Dagegen kann für einer Therapiegruppe, in der Personen mit sozialen Ängsten sitzen, die Formingphase die größte Herausforderung im gesamten Gruppenprozess darstellen.

     

    Sind die Teilnehmer angekommen, beginnt die Storming-Phase. Sie trägt ihren Namen zurecht, denn es kann tatsächlich stürmisch werden. Einige Teamentwickler sprechen auch von der Nahkampf-Phase. Die Zeit des vorsichtigen Kennenlernens ist vorbei, nun treten die persönlichen Ziele der Teilnehmer hervor. In einem Portugiesisch-Kurs an der Volkshochschule möchte eine junge Frau möglichst rasch Fortschritte erzielen, weil ihr Urlaub in Südamerika kurz bevor steht. Dagegen legt ein Mann um die Sechzig vor allem Wert darauf, seine Reiseanekdoten ausführlich vorzutragen. Die persönlichen Erwartungen an den Kurs könnten unterschiedlicher kaum sein. Nun liegt es an der Kursleitung, die Gruppe in die nächste Phase zu leiten.

     

    Der Nahkampf mündet in die Norming-Phase. Jetzt ist der Augenblick, in dem die Gruppe ihre eigenen Grundsätze und Werte entwickelt: Wie gehen wir miteinander um? Wie sprechen wir Konflikte an? Wie gleichen wir Interessen aus? Schafft sie keine allgemein akzeptierten, wirkungsvollen Regeln, beeinträchtigt dies nicht nur die Zusammenarbeit sondern auch das Wohlbefinden aller Beteiligten.

     

    Sind die Konflikte geklärt, kann die Arbeit beginnen – in der Performing-Phase gibt die Gruppe Gas. Bleiben wir beim Beispiel des Sprachkurses. Die Teilnehmer haben sich auf ein zügiges Lerntempo verständigt und der Reiseprofi lockert mit seinen Storys die Atmosphäre immer wieder auf, ohne zu übertreiben. Die Teilnehmer sind zufrieden, konzentrieren sich auf den Kursinhalt und vergeuden keine Energie durch Frust oder Reibereien. 

     

    Die vier Phasen Forming, Storming, Norming und Persforming laufen nicht strikt nacheinander ab. Sobald etwa ein neues Mitglied der Gruppe beitritt, beginnt das Forming erneut – meist in einer verkürzten oder abgeschwächten Variante. Hinterfragt „der Neue“ die aufgestellten Regeln, kann ein neuer Konflikt entstehen. Die Aufgabe der Gruppenleitung besteht immer auch darin, aufmerksam den Gruppenprozess zu beobachten und entsprechend zu moderieren.

     

    Nähert sich das Kurssemester dem Ende, stehen die Sommerferien an oder befindet sich das Projekt zur vor dem Abschluss, geht die Gruppe in das Adjournig über. Die Auflösungsphase läutet den Anfang vom Ende ein. Meist lockern sich die Beziehungen der Teilnehmer schrittweise, andere Themen gewinnen an Bedeutung. Damit sinkt die Leistungsmotivation. Ein wunderbares Beispiel sind die letzten Schultage vor den großen Ferien. Die Kinder sind gedanklich wahlweise auf der Reise zu den Großeltern, freuen sich  auf das Aufwachen ohne Wecker oder planen ihren ersten Urlaub mit Freunden. Der Zusammenhalt als Klasse schwindet – vor allem bei Abschlussklassen oder vor dem Wechsel auf eine andere Schule. Die Klasse schwelgt gemeinsam in Erinnerungen und jeder einzelne geht seinen Weg.

    Gruppen als Quelle der Kreativität oder Keimzelle für Konflikte?

    Wenn es um Kreativität geht, können Gruppen durchaus bessere Ergebnisse erzielen als Einzelpersonen. Der Grund ist einfach und wird durch die Hirnforschung bestätigt: Kreativität ist nämlich ansteckend. 

     

    Im Frontallappen des menschlichen Gehirns (hinter der Stirn) sitzen besondere Nervenzellen, die  Spiegelneuronen. Sie werden aktiv, wenn wir unsere Mitmenschen beobachten, beispielsweise wie sie lachen, einen Nagel in ein Brett schlagen oder vor Angst zittern. Die Spiegelneurone spiegeln das Beobachtete. Das gilt auch für kreative Prozesse. Eine Gruppe, deren Mitglieder gemeinsam Ideen sammeln (Brainstorming), inspirieren sich gegenseitig. Ein Vorteil für alle Beteiligten.

     

    Ein Alltagstipp nebenbei: Wenn Sie etwas Neues lernen möchten, lernen Sie schneller in der Gegenwart von jemandem, der die gewünschte Fähigkeit bereits beherrscht. Und zwar nicht nur, weil er gute Tipps oder Erklärungen abliefert. Mithilfe der Spiegelneurone fühlen Sie sich in die beobachtete Handlung ein. In Ihrem Gehirn sind die gleichen Areale aktiv, wie im Kopf Ihres Vorbildes

    Mobbing: Wenn Gruppen Schaden anrichten

    Der Dorsch, das psychologische Lexikon, beschreibt Mobbing als länger andauernde Form der Aggression gegen ein Mitglied einer Gruppe, das den Schikanen nicht einfach aus dem Weg gehen kann. Mobbing drückt sich auf psychischer Ebene zum Beispiel durch Ignorieren, Demütigen oder Beschimpfen des Opfers aus, kann aber auch durch körperliche Gewalt erfolgen.

     

    Der zentrale Aspekt liegt auf „aus dem Weg gehen“. Mobbing tritt folglich vor allem in formellen Gruppen mit klarer Hierarchie auf, also in Schulklassen, am Arbeitsplatz oder beim Militär. So kann es passieren, dass eine in der Hierarchie höher gestellte Person ihre Macht nutzt, um Untergebene zu schikanieren. Genauso können informelle Strukturen, etwa innerhalb einer Klasse, ein Machtgefälle herbeiführen, in dem der Klassenälteste seine Mitschüler einschüchtert und deren Gehorsam einfordert.

     

    Mobbing passiert in der Regeln nicht nur zwischen Täter und Opfer. Durch ihre Mitwisserschaft trägt die ganze Klasse bzw. die ganze Abteilung zum Mobbingprozess bei.

     

    Wie entstehen solche schädlichen Gruppenprozesse?

     

    Die Vorstellung, es gäbe spezielle „Opfertypen“, die sich durch ihre Sprache, ihre Herkunft oder besondere Eigenschaften vom Rest der Gruppe unterscheiden, gilt inzwischen als überholt. Mobbing entwickelt sich als Folge von Veränderungen im sozialen Gefüge.

    Dazu gehören:

    • neue Mitarbeiter
    • das Ende einer Freundschaft
    • eine Beförderung
    • Trennung eines Paares
    • Umstrukturierungen im Unternehmen
    • Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes

    Solche Prozesse fördern soziales Ungleichgewicht, die „Karten werden neu gemischt“. Die damit einhergehende Unsicherheit in Verbindung mit ungelösten Konflikten kann destruktives Verhalten wie Mobbing erzeugen. Führungs- und Lehrkräfte spielen dabei eine entscheidende Rolle, da sie Konflikte frühzeitig erkennen und entsprechend intervenieren sollten.

     

    Übrigens: Laut einer Statista-Umfrage aus dem Jahr 2021 berichten rund ein Drittel der Befragten, schon einmal gemobbt worden zu sein – Mobbing ist also kein Randphänomen. Sollten Sie selbst davon betroffen sein, scheuen Sie sich nicht, Hilfe anzunehmen. Anlaufstellen finden Sie zum Beispiel beim Betriebsrat oder einer psychologischen Beratungsstelle. 

    Macht: Wer hat das Sagen in der Gruppe?

    Gruppenpsychologie und Macht - Wer hat das Sagen in einer Gruppe. Abgebildet eine Gruppe von Untoter animiert
    Gruppenpsychologie und Macht - Wer hat das Sagen in einer Gruppe. Abgebildet eine Gruppe von Untoter animiert

    Gruppen, Rangordnung und die jeweiligen Aufgaben | Quelle: © grandfailure - Adobe Stock

    Seit einiger Zeit befinden sich vor allem größere Unternehmen in einem Wandel: Hierarchien werden flacher, die Vorgesetzten erscheinen in legerer Kleidung am Arbeitsplatz und alle duzen sich. Gibt es in der neuen Arbeitswelt künftig keine Rangordnung mehr? –. Das wird wohl nicht passieren.

     

    Allerdings scheint das Thema Macht innerhalb einer Gruppe kaum oder nur am Rande wahrgenommen zu werden. Und das obwohl die Machtverhältnisse einen großen Anteil an der Gruppendynamik ausmachen: Wird eine Person besonders anerkannt? Ist deren Position stabil oder versuchen ständig andere Gruppenmitglieder „an deren Stuhl zu sägen“? Das Szenario bestimmt die Atmosphäre.

     

    Professor Dietrich von Oelsnitz leitet das Institut für Unternehmensführung an der TU Braunschweig. Er erklärt die komplexen und variablen menschlichen Beziehungen innerhalb einer Gruppe sehr anschaulich anhand der Positionen von Alpha, Beta, Gammas und dem Omega.

     

    Dabei ist wichtig zu wissen: Die Rangordnung in Teams und Gruppen ist nicht in Stein gemeißelt und kann sich je nach Situation kurz- und auch langfristig verschieben.

    Alpha: die klassische Führungsrolle

    Ein Alpha-Typ – männlich oder weiblich – fällt oft durch Charisma auf. Sie sind meist gute Redner, verfügen über ein hohes Maß an Selbstvertrauen, wecken Emotionen und senden ihre Vision als klare Botschaft. An ihre Gefolgschaft stellen sie hohe Anforderungen. Zu den charismatischen Leadern zählen etwa Barak Obama, der Dalai Lama, Steve Jobs und Lady Diana. Natürlich kommen auch weniger strahlende Persönlichkeiten für die Alpha-Rolle in Frage.

    Beta: unabhängige Expertenposition

    Die zweite Position im Team nimmt eine Person mit wichtigen Fähigkeiten, besonderen Erfahrungen oder Wissen ein.  Sie ist zwar „die Nummer Zwei“, steht jedoch aufgrund ihrer speziellen Expertise etwas am Rand und bleibt bei Rangkämpfen eher außen vor.  Mit einer Ausnahme: Die Beta-Position ist immer ein Sprungbrett für die Führungsrolle. Daraus können Spannungen entstehen.

    Gamma-Position: die engagierten Helfer

    Der Rest der Gruppenmitglieder teilt sich die Gamma-Position. Sie sind die „Arbeiter“ oder „Mitläufer“ der Alpha-Person, teilen ihre Vision und engagieren sich für deren Umsetzung. Ohne die Gammas fehlt der Alpha die nötige Durchsetzungskraft. Was wäre Elon Musk ohne seine Mitarbeiter?

    Omega: das unterschätzte Schlusslicht

    Die Omega-Rolle besetzt meist ein Zauderer, nicht gerade das beliebteste Mitglied der Gemeinschaft. Kein Wunder, schließlich scheinen die geäußerten Zweifel und Nörgeleien den Fortschritt der ganzen Gruppe zu blockieren. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich ein anderes Bild: In jedes Team, jede Gemeinschaft schleichen sich Gewohnheiten und Perspektiven ein, die dem gemeinsamen Ziel ebenfalls schaden. Die Omega-Rolle setzt den Rest unter Druck, fordert ein Überprüfen und Diskutieren des eingeschlagenen Weges ein. Ohne einen Omega entwickeln sich Teams kaum weiter – sie leisten einen wertvollen Beitrag für die gesamte Gruppe und führen trotzdem ein Schattendasein.

    Fazit:

    Gruppen funktionieren auf zwei Ebenen: Sie verfügen über eine Macht-basierte Organisation und über ein Beziehungsgeflecht, das auf Sympathie beruht.

    Überlegen Sie kurz: Wer spielt in Ihrer Abteilung welche Rolle? Wo stehen Sie selbst in diesem Gefüge derzeit und wie stabil sind die Positionen?

    Psychologie der Massen: nur eine Herde Schafe?

    Wenn Kreativität ansteckend ist, ist es dann auch Intelligenz? Und wenn ja, wie kann es sein, dass große Gruppen sich oft nicht sehr vernünftig verhalten?

     

    Die Erfahrung, dass sich Menschenmassen einem Anführer unterordnen und ihm sogar in einen bewaffneten Konflikt folgen, lässt die Frage entstehen: Wie kann so etwas passieren? Verhält sich eine Menschenmenge wie die sprichwörtliche Schafherde, die dem Leittier ohne nachzudenken ins Verderben folgt?

     

    Hier sorgte die Psychologie für spannende Erkenntnisse. Der sogenannte Groupthink besagt zum Beispiel, dass Gruppen zu radikaleren Entscheidungen neigen und größere Risiken eingehen als Individuen. Außerdem neigen sie dazu, neue Informationen zu ignorieren, wenn sie nicht in ihr Konzept passen. Ein klassisches Beispiel für diese Zusammenhänge ist ein Experiment von Stanley Milgram in den 1960ern.

     

    Ein Experiment mit überraschendem Ergebnis

     

    Der Psychologe wollte herausfinden, ob „ganz normale Menschen“ bereit sind, sich einer Autorität zu unterwerfen und deren Befehle auszuführen, auch wenn sie dabei gegen ihr Gewissen und die geltende Moral verstoßen.

     

    Milgram bestellte seine Versuchspersonen in ein Labor. Dort wurden angewiesen, die Rolle eines Lehrers einzunehmen und ihren Schülern per Knopfdruck einen Stromstoß zu versetzen, wenn sie eine Frage falsch beantworteten. Nach jeder falschen Antwort wurde die Stromstärke erhöht. Was die Versuchspersonen nicht wussten: Die Schüler waren Schauspieler und der Stromstoß nicht echt.

     

    Die Annahme liegt nahe, dass sich die Personen weigern würden, Stromschläge zu verteilen. Schließlich wurden sie weder physisch dazu gezwungen, noch wurden ihnen Strafen angedroht. Das Ergebnis: Von den 40 Versuchspersonen gingen 26 bis zur maximalen Stromstärke von 460 Volt, obwohl sie die Schmerzschreie (vom einem Tonband) der Schüler hörten.

     

    Das Experiment dürfte heute nicht mehr durchgeführt werden, da das Risiko von psychischen Folgeschäden für die Teilnehmer zu hoch wäre.

     

    Die Untersuchung zeigt einerseits, wie stark die Norm zu Gehorchen im Menschen verankert ist. In der Evolutionsbiologie gilt das Ergebnis als Beweis, dass das menschliche Gehirn darauf gepolt ist, Autoritäten und Anführern zu folgen – genau wie es Primaten tun.

     

    Gruppen können also gute und schlechte Entscheidungen treffen. Doch warum setzen sich Einzelne oft nicht durch, auch wenn sie die besseren Argumente haben?

    Zusammenhalt muss sein: Konformität und Gruppenkohäsion

    Gruppen erzeugen ein WIR-Gefühl. Dieses WIR steht für Zusammenhalt und Sicherheit. In einer Gemeinschaft aufgehoben und geborgen zu sein, ist ein elementares menschliches Bedürfnis. Damit die Gruppe überlebt, müssen ihre Mitglieder zusammenhalten. Diesen Zusammenhalt sichern gemeinsame Normen und Regeln – wer sie nicht befolgt, dem drohen Sanktionen. Im Extremfall wird er aus der Gemeinschaft ausgeschlossen.

     

    Diese Tatsache führt dazu, dass Individuen davor zurückschrecken, geltende Normen öffentlich infrage zu stellen. Darüber hinaus ist es weniger anstrengend „mit dem Strom zu schwimmen“ und es fühlt sich richtig an. Kennen Sie das Gefühl, „in der Masse aufzugehen“, Anteil an etwas Größerem zu haben? In Fußballstadien wird dieses Gefühl intensiv gelebt und ist für Viele mehr oder weniger bewusst ein Grund für ihre Fußballleidenschaft.

     

    Was lässt sich daraus lernen?

     

    Ob eine Gemeinschaft der Mehrheit nützt, liegt vor allem an der Machtverteilung und den gemeinsamen Werten. Spielt die einzelne Person mit ihren individuellen Stärken und Schwächen eine Rolle oder dient die Gruppe den Interessen von wenigen Einzelpersonen? Welche Werte sind der Gemeinschaft wichtig?

     

    In Demokratien beispielsweise wird versucht, Macht immer auf viele Schultern zu verteilen und gleichzeitig Personengruppen zu benennen, die die Machthaber kontrollieren. Eine gute Basis für den Erfolg einer Gemeinschaft.

    Zum Weiterlesen:

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    Susanne Schmieder

    Autorin: Susanne Schmieder

    Psychologin
    Mit Worten jonglieren, den richtigen Ton treffen und die Leser wertvoll informieren - das macht mir großen Spaß. Als Diplom-Psychologin verfasse ich hilfreiche und nützliche Fachartikel. Das bedeutet für mich Faszination und Herausforderung zugleich.

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