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Menschliche Entwicklung bis zum 7. Lebensjahr – von der Geburt bis zur „Wackelzahnpubertät“

„Das einzig Beständige im Leben ist der Wandel.“ Diese Wahrheit zeigt sich an Übergängen besonders deutlich. Die Geburt ist einer der einschneidendsten und wundervollsten Übergänge im Leben. Nach neun Monaten des Wachsens und Veränderns landet das kleine Wesen nach einer Reise durch den engen Geburtskanal in einer anderen Welt. Es muss selbst atmen, kann schreien und nur die eigene Haut trennt es von der Umwelt. Die Sinneseindrücke sind neu, die Sinnesorgane entwickeln sich weiter und lernen, die Reize zu verarbeiten. – Das ist nur eine kleine Auswahl an Entwicklungsprozessen, die gleich nach der Geburt passieren. Die Veränderung geht weiter – ohne Unterbrechung. In diesem Beitrag geht es um die Menschliche Entwicklung bis zum 7. Lebensjahr. Was passiert während dieser Zeit? Welche Herausforderungen muss der kleine Mensch bewältigen und welche Weichen werden für seine Zukunft gestellt?

 

Diese Fragen sind nicht nur für die eigene Familienplanung spannend. Genauso lassen sich aus diesen Erkenntnissen Rückschlüsse auf die eigene Entwicklung ziehen – privat und beruflich.

Von Geburt bis zur Menschliche Entwicklung bis zum 7. Jahre.
Von Geburt bis zur Menschliche Entwicklung bis zum 7. Jahre.

Aufnahme Embryo kurz vor der Geburt | Quelle: © flashmovie - Adobe Stock

Unsere Beiträge sind sehr ausführlich. Bitte nutzen Sie daher zur besseren Navigation das Inhaltsverzeichnis. Sollten Sie ergänzende Anregungen oder eigene Erfahrungen zum Thema besitzen? Freuen wir uns natürlich sehr über ein entsprechendes Kommentar am Ende des Beitrages.  

Wir wünschen eine inspirierende Lektüre!

Inhaltsverzeichnis
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    Das Kind – ein unvollständiger Erwachsener?

    Wenn Sie den Begriff „Kind“ definieren sollten, was würden Sie sagen? – Ein Erwachsener im Mittelalter hätte von unvollständigen Erwachsenen gesprochen, von Miniaturmenschen, die keine eigene Meinung haben. – Vom heutigen Standpunkt aus unvorstellbar. Später, während und nach der industriellen Revolution wurde für die Kinder des Bürgertums die Schulpflicht eingeführt. Alle anderen Kinder waren nützliche Arbeitskräfte – die Chance auf Bildung hatten nur wenige. Der Nachwuchs musste schnellstmöglich zum Unterhalt der Familie beitragen. Eine eigene Meinung wurde ihnen nicht zugebilligt. Die Eltern fällten alle Entscheidungen – sie wählten auch die Ehepartner aus. Bis zur Hochzeit blieb das Kind das Eigentum der Eltern.  

     

    Heute blicken Erwachsene auf Kinder und sehen junge Menschen in der Entwicklung. Diese Veränderung mündete in die Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention im Jahr 1990 in New York. Als Kinder gelten danach Personen unter 18 Jahren. Aufgrund ihres jungen Alters wird ihnen ein besonderes Bedürfnis nach Unterstützung, Schutz und Förderung zugestanden. Die Kinder sollen eine eigene Persönlichkeit entwickeln und lernen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Eltern und Gesellschaft müssen dafür sorgen, dass diese Bedürfnisse erfüllt werden.
    Quelle: http://politischebildung.ch/.../einfuehrung-die-kinderrechte/kind-frueher-kind-heute

     

    Vor diesem Hintergrund handeln die nächsten Abschnitte von der Geburt und der Entwicklung des Säuglings.

    Die Geburt und die ersten Tage: Das ist also meine Mutter...

    Der Homo Sapiens ist eine besondere Spezies. Nicht nur, dass er mit dem komplexesten Organ der Evolution, nämlich einem menschlichen Gehirn, ausgestattet wurde. Auch seine Entwicklung ist einzigartig. Kein Tier braucht länger, bis es eigenständig leben kann. 

     

    Gleich nach der Geburt interessiert sich das Baby nur für wenige Dinge. Nahrung und Schutz stehen an oberster Stelle –  beides erhält es im Normalfall von seiner Mutter. Darum ist ein weiterer wichtiger Punkt die Beziehung zu dieser Frau. Das Baby ist vollkommen hilflos und darauf angewiesen, dass die Mutter seine Signale versteht und entsprechend darauf reagiert.

     

    Aus medizinischer Sicht ist es wichtig, gleich nach der Geburt zu überprüfen, ob das Baby ohne Unterstützung lebensfähig ist. Dafür wird der Apgar-Index verwendet. Die Kinderärztin oder der Geburtshelfer kontrolliert dabei Herzfrequenz, Atmung, Reflexe, Muskeltonus und die Färbung der Haut.
    Quelle: https://www.spektrum.de/.../psychologie/apgar-system/...

     

    Der medizinische Fortschritt konnte die Säuglingssterblichkeit erheblich reduzieren. Die Statistiken zur Säuglingssterblichkeit erfassen die Zahl der Neugeborenen, die vor ihrem ersten Geburtstag sterben. So lag die Quote in Afghanistan im Jahr 2013 bei rund 119 Promille – in Deutschland lag der Wert zu dieser Zeit bei 3,48 Promille.
    Quelle: https://assets.prb.org/...-world-population-data-sheet_eng.pdf

     

    Der gefürchtete „plötzliche Kindstod“ ist für rund fünf Prozent der Todesfälle im ersten Lebensjahr verantwortlich. Die genauen Ursachen sind nicht abschließend geklärt. Forscher gehen von einer Fehlfunktion des Atemzentrums aus.

     

    In der Psychologie gibt es verschiedene Ansätze, die sich mit der kindlichen Entwicklung befassen. Eines der einflussreichsten Konzepte stammt von dem US-Amerikanischen Soziologen Robert J. Havighurst. Zusammen mit seinem Team erstellte er einen Katalog sogenannter Entwicklungsaufgaben für unterschiedliche Lebensphasen.

     

    Entwicklungsaufgaben sind besondere Herausforderungen, denen sich Menschen während ihres Lebens zu bestimmten Zeiten stellen müssen. Entwicklung verstehen die Forscher als Lernprozess.

    Die Entwicklungsaufgaben haben unterschiedliche Quellen:

    • körperliche Veränderungsprozesse: z. B. Pubertät, Schwangerschaft, Menopause, Alter.
    • kulturelle Normen: z. B. Einstieg ins Berufsleben, Partnerschaft, Familiengründung.
    • persönliche Werte und Ziele: z. B. berufliche Karriere, soziales Engagement, Gründung einer Großfamilie.

     

    Während biologische Prozesse universelle Phänomene darstellen und alle Menschen betreffen, unterliegen die kulturellen Entwicklungsaufgaben der jeweiligen Gesellschaft und ihren Erwartungen an ihre Mitglieder. Das bedeutet: Werden Entwicklungsaufgaben erfolgreich bewältigt, erhält das Individuum dafür Anerkennung und der soziale Status steigt. Die kulturellen Aufgaben unterliegen einem stetigen Wandel. In den 1950er Jahren war es die Aufgabe einer Frau, zu heiraten, Kinder in die Welt zu setzen und eine gute Hausfrau und Mutter zu sein. Alleinstehende, unverheiratete Frauen waren selten und weniger angesehen als eine Mutter. Heute sind Frauen, die sich gegen Kinder und für eine berufliche Karriere entscheiden häufiger anzutreffen und ihr Lebensentwurf wird akzeptiert.   

     

    Havighurst geht davon aus, dass für jede Entwicklungsaufgabe sensible Phasen existieren, die für die Bewältigung einer bestimmten Aufgabe besonders günstig sind. Ein Beispiel ist die erste Paarbeziehung oder das „erste Mal“. Während der Jugend und im jungen Erwachsenenalter ist dafür  eine geeignete Zeit. Mit 30 Jahren ist dies viel schwieriger.

     

    Die folgende Grafik zeigt, wie Havighurst und seine Kollegen die menschliche Entwicklung skizzierten.

     

    Menschliche Entwicklung bis zum 7. Lebensjahr
    Menschliche Entwicklung bis zum 7. Lebensjahr

    Menschliche Entwicklung bis zum 7. Lebensjahr | Grafik: ALL4SINGLES Quelle: https://moodle.evhn.de/mod/book/tool/print/...

    Neben den Entwicklungsaufgaben gibt es Krisensituationen – kritische Lebensereignisse – die jeden Menschen treffen können. Um diese Situationen zu bewältigen, braucht es viel Energie; häufig werden diese Ereignisse mit Neu- oder Umorientierung begleitet. Ein kritisches Lebensereignis kann die schwere Erkrankung eines nahen Angehörigen oder der eigenen Person sein, genauso wie der Verlust einer Bezugsperson durch Trennung oder Tod. 

     

    Moderne Konzepte basieren auf der Forschung von Havighurst. Die Hirnforschung hat auch in der Entwicklungspsychologie rasant zu neuen Erkenntnissen geführt.

     

    Darum beschreiben die folgenden Absätze den aktuellen Wissensstand – mit spannenden Tipps und Fakten.

    Das Kind nach der Geburt bis zum ersten Lebensjahr

    Eine der ersten Aufgaben des Säuglings besteht darin, den eigenen Schlaf-Wach-Rhythmus und das Bedürfnis nach Nahrung an die Gewohnheiten der Erwachsenen anzupassen. Neugeborene schlafen anfangs bis zu 16 Stunden – im Idealfall überwiegend nachts. Im Mutterleib lebte es in seiner Welt, es war egal, wann es essen oder schlafen wollte. Alles war jederzeit möglich.

    Das Gehirn und seine faszinierende Entwicklung

    Die Gehirnentwicklung macht im ersten Jahr extreme Fortschritte. Das Hirngewicht eines Neugeborenen liegt bei etwa 25 Prozent der Gehirnmasse Erwachsener. Trotzdem verfügt das Hirn des Säuglings bereits über 100 Milliarden Nervenzellen (Neurone). Eine unvorstellbare Zahl!

     

    Noch erstaunlicher ist die Zahl der Verbindungen zwischen diesen 100 Milliarden Neuronen, nämlich eine Billiarde: 1.000.000.000.000.000 (1015 ). In dieser Zeit ist die Höchstzahl an Nervenverbindungen (Synapsen) erreicht ist.

     

    Dahinter steht ein Prinzip: Es werden mehr Verbindungen zwischen den Nervenzellen gebildet als nötig sind. Im weiteren Entwicklungsprozess wird dieses Netzwerk optimiert. Das bedeutet: Häufig gebrauchte Nervenbahnen werden verstärkt, nicht benötigte Verbindungen abgebaut. Das wäre in etwa so, als würde die Stadtverwaltung einen neuen Stadtteil bauen und ihn mit einem dichten Netz aus Straßen und Wegen überziehen. Anschließend wird analysiert, welche Straßen die Bewohner tatsächlich nutzen. Die ungenutzten Wege und Straßen werden wieder zurückgebaut. Dies ist das Prinzip hinter der Anzahl an Verbindungen zwischen den Nervenzellen.

     

    Die Folgen für die Zukunft des Kindes sind klar: Für ihre gesamte Entwicklung ist es wichtig, dass Kinder am Beginn ihres Lebens viele verschiedene Eindrücke und unterschiedliche Erfahrungen sammeln. Kinder, die in einer monotonen Umgebung aufwachsen, können dieses Fehlen unterschiedlicher Reize theoretisch aufholen, dafür brauchen sie allerdings viel Zeit und Unterstützung.

     

    Was bedeuten diese Prozesse für die Entwicklung Erwachsener? Ältere Kinder und Erwachsene können leichter neue Erfahrungen verarbeiten und neue Dinge lernen, wenn ihr Gehirn als Kleinkind schon darauf trainiert wurde. Sie bleiben auf dem Weg des lebenslangen Lernens.

     

    Für alle Menschen gilt gleichermaßen: Begeisterung erhöht den Lernerfolg. Der Neurobiologe Gerald Hüther nennt Begeisterung „Dünger für‘s Gehirn.“ Denn diese positiven Emotionen führen dazu, dass sich auch in fortgeschrittenem Alter noch neue Synapsen, also Nervenbahnen bilden.

     

    Nun geht es darum, was mit den häufig genutzten Bahnen passiert. Hier passt der Vergleich zwischen Gehirn und Muskel ganz gut. Training steigert die Masse. Das bedeutet: Je häufiger eine Nervenbahn genutzt wird, desto dicker wird sie und umso schneller reagiert sie. Anders ausgedrückt: Die Gehirnregionen, die für die Motorik der Hände zuständig sind, sehen beim Star-Pianisten Lang Lang anders aus als beim Weltfußballer Cristiano Ronaldo. Der Pianist trainiert sie sehr intensiv, Ronaldo dagegen achtet mehr auf seine Beinarbeit.

     

    Jetzt werden wir wieder konkret: Das kann ein Kind mit etwa einem bis eineinhalb Jahren.

    Körperliche, geistige und soziale Fähigkeiten mit 1 –  1,5 Jahren

    Mit etwa eineinhalb Jahren erkennt das Kind seine Eltern und Geschwister und es kann einen rollenden Ball im Auge behalten. 

     

    Es kann zwei vorgesprochene Wörter nachsprechen, versteht die Kommandos „Mund auf“ und „komm her“. Das Kleinkind reagiert auf seinen Namen.

     

    Es trinkt selbstständig aus einer Tasse und kann feste Nahrung kauen. Außerdem steht es ohne Unterstützung auf und kann alleine gehen, indem es sich an stabilen Möbeln, etwa einem Schrank festhält. 

     

    Das Kleine kann erste Spiele mitmachen, etwa den Ball hin- und herrollen. Außerdem reagiert es auf „Winke-winke“.

    Der eigene Wille und „Das bin ich.“

    Gleich nach der Geburt erlebt sich der Säugling noch als Einheit mit seiner Mutter. Nach und nach kommen erste Erfahrungen der Selbstwirksamkeit hinzu. Das Kind merkt, dass es mit bestimmtem Verhalten etwas bewirken kann –  wenn es schreit, bekommt es etwas zu essen. Oder: Lächeln erzeugt Aufmerksamkeit. Auch der Körper wird zunehmend als von der Mutter unabhängig wahrgenommen. Das Kind erkennt immer mehr, dass es eine eigenständige Person ist.

     

    Mit etwa zwei Jahren tritt der eigene Wille immer deutlicher hervor. Damit verbunden ist auch die Erfahrung von Grenzen und das Gefühl von Enttäuschung und Frust. Wenn das Kind zum Beispiel die Schreibtischschublade ausräumen möchte, weil sich darin so viele bunte Gegenstände befinden, werden Sie ihm das wahrscheinlich verbieten. Es könnte zu Tränenausbrüchen kommen.

     

    Während dieser Zeit beginnt das Kind zudem, sich im Spiegel zu erkennen. Zuvor war „das Kind im Spiegel“ einfach ein weiteres Kind. Plötzlich wird ihm bewusst: Das bin ich. – Versuchen Sie einmal, diese Erfahrung nachzuvollziehen. Das geht unter die Haut.

     

    Mit dem Erkennen des Ichs gehen viele Veränderungen einher: Besonders fordernd sind die oft widerstreitenden Gefühle. Einerseits die Freude und Begeisterung etwas zu wollen und handeln zu können. Und gleichzeitig erlebt es, dass es manche Dinge nicht darf (Schublade ausräumen) oder noch nicht kann. Wie frustrierend muss es sein, den älteren Kindern beim herumrennen zuzusehen, während man selbst immer wieder hinfällt und einfach nicht hinterherkommt? Hier ist die Unterstützung der Eltern gefragt. Sie können in dieser aufwühlenden Zeit Halt und Orientierung geben.

    Konkrete Beispiele: Das kann das Kind jetzt

    Das Kind kennt seine Kleidung, kann Tee- und Esslöffel auseinander sortieren. Außerdem erkennt es Orte wieder und unterscheidet Mengen von eins und viel.

     

    Motorisch schafft es, Perlen auf Draht aufzustecken, Papier zu falten und Wasser von einem Glas in ein anderes Glas zu gießen. Das Kleine kann mindestens 15 Meter laufen, ohne zu stolpern. Es beginnt mit Puppen und Stofftieren zu sprechen, Dreiwortsätze sind üblich.

     

    In sozialen Beziehungen tauchen erstmals Eifersucht und Geduldig-Sein auf. Das Kind freut sich, wenn es Mutter, Papa oder Oma zum Lachen bringt und kleine Aufträge ausführen darf. In diesem Alter schlüpft es regelmäßig und mit Leidenschaft in Tierrollen.

     

     

    Das Alter von 5 – 7 Jahren: „Ernst des Lebens“ und Wackelzahnpubertät

    Menschliche Entwicklung von 5 – 7 Jahren. Ernst des Lebens
    Menschliche Entwicklung von 5 – 7 Jahren. Ernst des Lebens

    Die Wackelzahnphase | Quelle: © Halfpoint - Adobe Stock

    Die Überschrift verrät es bereits: Die Zeit um die Einschulung ist nicht einfach – für das Kind und  die Eltern.

    Rund um die Zeit der Einschulung beherrschen Kinder folgende Dinge

    Das Kind kann Bälle ohne Schwierigkeiten fangen und werfen, es fährt mit dem Rad oder Roller und bindet seine Schuhbänder ohne Hilfe. Darüber hinaus kann es feinmotorische Handgriffe ausführen. Dazu zählen unter anderem malen und schneiden. Es hat gelernt, erste Zahlen und Buchstaben zu schreiben und bringt seinen Namen problemlos zu Papier.

     

    Beim Spielen zeigt es Ehrgeiz und möchte gewinnen – auch wenn es dafür schummeln muss. Daneben rangiert das Eltern-Kind-Spiel im Ranking der Lieblingsspiele weit oben.

     

    Die Kinder tauchen immer stärker in die Welt der Logik ein und beginnen, sich ihre Umwelt selbst zu erklären. Das ist die Zeit, in denen sie Erwachsene mit ihren Schlussfolgerungen oft zum Schmunzeln bringen.

     

    „Ich weiß nicht, was ich gerade gesagt habe. Ich habe mir nicht zugehört.“ Anonym, 6 Jahre

     

    „Wenn ich selber Mama bin, darf ich endlich Sch… sagen.“ Emma, 5 Jahre

     

    Kinder lernen in diesem Alter täglich zehn neue Begriffe – eine enorme Leistung. Außerdem erkennen sie den roten Faden einer einfachen Geschichte und können diese wiedergeben. Sie können bis 20 zählen und Geldscheine und Münzen richtig benennen.

     

    Außerdem haben sie eine Vorstellung vom Konzept „Zeit“, das ist besonders für die Einschulung wichtig. Das gilt ebenfalls für das Verstehen und Einhalten einfacher Regeln, wie „Ich melde mich und warte bis ich aufgerufen werde. Dann erst rede ich.“

     

    Das Befolgen bestimmter Regeln ist Teil der sozialen Entwicklung. Die Kinder verstehen immer besser, dass andere Menschen eigene Bedürfnisse und Wünsche haben. Sie erkennen, dass Kompromisse für ein gutes Zusammenleben wichtig sind.

     

    Trotz der vielen Fortschritte und positiven Entwicklungen herrscht bis zur Pubertät nicht eitel Sonnenschein in der Familie. Im Gegenteil: Die sogenannte Wackelzahnpubertät bringt Klein und Groß immer wieder an Grenzen.

     

    Kurz gesagt ist das große Thema dieser Phase: Nicht mehr das kleine Kind, aber auch noch nicht groß. Eine Zeit schwankender und intensiver Gefühle. Die Kleinen müssen sich neu sortieren. Die Kita-Zeit endet, der Wechsel in die Schule bringt neue Pflichten und Herausforderungen. Überall werden Ungerechtigkeiten entdeckt: Erwachsene dürfen Cola trinken, Kinder nicht. Die Freundin muss ihre Hausaufgaben nicht gleich nach dem Essen erledigen und darf sofort auf den Spielplatz. Der Nachbarsjunge darf länger mit dem Smartphone spielen. – Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen.

     

    Reale oder wahrgenommene Ungerechtigkeiten können ordentliche Wutausbrüche provozieren. Das Kind ist häufig selbst von der Heftigkeit seiner Gefühle überfordert, es wird mitgerissen – und wünscht sich Halt und Unterstützung. Diese Gleichzeitigkeit widersprüchlicher Gefühle ist für alle Beteiligten extrem anstrengend. Natürlich wäre es ideal, wenn Eltern ihrem Kind in diesem emotionalen Chaos beistehen. Andererseits ist es von den Erwachsenen viel verlangt, ihren Nachwuchs verständnisvoll in den Arm zu nehmen, nachdem ihnen das Kind noch wenige Augenblicke vorher wüste Beschimpfungen an den Kopf geworfen hat.

     

    Die emotionale Achterbahnfahrt nervt Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Dieses Wissen im Hinterkopf vermag manchen Gefühlsausbruch, der den Eltern entgegenschlägt, vielleicht etwas abzumildern.

     

    Geduld, Zeit und Toleranz sind die wichtigsten Faktoren, die Eltern in dieser Phase helfen. Sie brauchen viel Geduld, um die Gefühlsschwankungen und wiederkehrende Diskussionen auszuhalten. Geduld ist auch wichtig, weil die Kinder immer wieder von Höhenflügen und Selbstüberschätzung „auf den Boden der Tatsachen“ geholt werden müssen. Sie sind sechs Jahre und halten sich für zwanzig Jahre.

     

    Zeit ist erforderlich, weil die elterliche Aufmerksamkeit (nicht nur physische Anwesenheit) den Kindern Halt und Orientierung bietet. Toleranz ist wichtig, weil es nicht einfach ist, mit der Wut konfrontiert zu werden, ohne sich zu sehr davon anstecken zu lassen. Vor allem, wenn Wutausbrüche mit Beschimpfungen der Eltern einhergehen

    Mit kontrollierten Abenteuern durch die Krise

    Gefühlschaos und Streit nagen am Selbstvertrauen der Kinder. Eltern tun gut daran, ihrem Nachwuchs kleine Aufgaben zu übertragen, die sie fordern, aber nicht überfordern. Das kann ein kleiner Einkauf beim Nahversorger sein. Oder die Kleinen helfen bei der Hausarbeit, wenn sie sich gerade mit den Rechten Erwachsener beschäftigen und ein Gefühl für deren Pflichten und deren Verantwortung bekommen wollen. Damit erweitern Eltern den Aktionsradius ihres Nachwuchses und deren Stimmung stabilisiert sich – zumindest vorübergehend.

     

    Der nächste Artikel dreht sich um das Alter zwischen 7 und 14. Das ist nicht weniger spannend.

    FAZIT

    Die Zeit mit kleinen Kindern fliegt nur so dahin. Sie entwickeln sich rasend schnell. Bei genauerem Hinsehen können Sie als Erwachsene – mit und ohne Kinderwunsch – staunen über das Wunder der menschlichen Entwicklung und was das Leben so alles hervorbringt.

     

    Weitere Informationen gibt‘s hier:

    • Lohaus, Arnold & Vierhaus, Marc (2019): Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters für Bachelor. Springer Verlag.
    • Jungbauer, Johannes (2017): Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters: Ein Lehrbuch für Studium und Praxis sozialer Berufe. Beltz Juventa Verlag.
    • Jabat-Zinn, Jon & Myla Kabat-Zinn (2015): Mit Kindern wachsen. Die Praxis der Achtsamkeit in der Familie. Arbor-Verlag.
    • Interview mit Prof. Gerald Hüther:
      https://kulturwandel.org/inspiration/interviews-und-texte/begeisterung-ist-dunger-furs-gehirn/
    • Zschocher, Andrea (2020): Nicht mehr klein und noch nicht groß: Der liebevolle Ratgeber für die Wackelzahnpubertät. Verlag: Edition Riedenburg.

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    Susanne Schmieder

    Autorin: Susanne Schmieder

    Psychologin
    Mit Worten jonglieren, den richtigen Ton treffen und die Leser wertvoll informieren - das macht mir großen Spaß. Als Diplom-Psychologin verfasse ich hilfreiche und nützliche Fachartikel. Das bedeutet für mich Faszination und Herausforderung zugleich.

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